Artikel aus: Rheinische Post 3. März 2007

 

Peitschen mit Gefühl

Mönchengladbach Indiana Jones ist ein Sensibelchen. "Man darf die Peitsche nicht zwingen", sagt Jones, während seine Hände den geflochtenen Rindsleder-Riemen zu einer tellergroßen Schnecke rollen. OK, es ist nicht der echte Indiana Jones aus dem Kino, sondern Christian Hebenstreit aus Krefeld. Aber der ist ein echter Stuntman und hat den Indiana Jones schon mal in einer Show in einem indischen Freizeitpark gespielt. Eine schöne Geschichte, aber das hilft Christoph Erpenbeck momentan nicht weiter. Der Schauspieler massiert seinen rechten Arm. könnte sein, dass ihm diese Probe wieder mächtig Muskelkater beschert. Als Schauspieler muss man halt opfer bringen.

Aber nicht unbedingt unfallfrei mit einer fast drei Meter langen Peitsche aus Leder schlagen können. Darum ist Christian Hebenstreit bei der Probe für das Musical "Kiss me, Kate" dabei. Der Stuntman und Peitschen-Profi soll Erpenbeck beibringen, wie er in der Rolle eines Theaterbosses und Shakespeare-Darstellers auf der Mitschauspielerin und Ex-Frau Lilli mittels eines eleganten Peitschenschwungs einwickeln und aus dem Verkehr ziehen soll. klingt schwierig - ist es aber nur ein bisschen. Erpenbeck holt weit und langsam aus. Die Peitsche schwingt in großem Bogen vorwärts und umschlingt die Arme von Kollegin Kerstin Brix. Eine Drehung in die gleiche Richtung - schon ist Brix eingewickelt und schaut Erpenbeck ins Gesicht. Jetzt nur noch 'ranziehen den Fang! Diesen Bogen hat Erpenbeck schon raus. Schwieriger ist die Szene für Kerstin Brix. Sie muss einen bodenlangen Schleier und ein wallendes kleid tragen und beides ein wenig hochraffen. "Sonst fall' ich auf die Nase", erklärt Brix dem Trainer. Will heißen: Die Arme sind dem Umringelreihen irgendwie im Weg. Hmm.

Nach kurzem Nachdenken hat Hebenstreit die Lösung:"Dann versuch' mal, die Ellenbogen an den Körper drücken." Und wenn Brix die Hände schön flach hält und ihr Kleid nicht allzu kräfttig lupft, klappt's auch. Erpenbeck holt aus, die Peitsche schlenzt - und schwawupp - klappt ja wie am Schnürchen! Auch für Kerstin Brix? Blaue Flecken vom langen Leder? "Nö, das brennt nur ein bisschen am Arm, wenn sich die Peitsche drumwickelt." Tapferes mädchen. Peitschen-szene Nummer zwei läuft noch nicht so hundertprozentig rund. Erpenbeck muss auf die Bühne kommen und die Leder-Natter dramatisch Knallen lassen. klingt leicht - ist es aber ganz und gar nicht. Erpenbeck strafft sich, drückt das Rückgrat durch und schwingt den rechten Arm über den Kopf. Eine Schutzbrille, wie bei den allerersten Proben, trägt der Peitschenschüler nicht mehr. Erpenbecks Rechte schwebt über dem Haupt, das Leder zappelt hinter dem Rücken - jetzt! Erpenbeck zieht kraftvoll durch. "Zawischhhh". Der Riemen zischelt kurz - und trifft im Rückenflug den Unterarm seines Dompteurs. Erpenbeck bleibt stumm - und auch sein Unterarm errötet still.

Nach einem Dutzend weiterer Versuche und etlichen respektablen Knallern hält Erpenbeck dem Trainer das Gerät hin. "Jetzt zeig' du mal, wie das geht." Hebenstreit nimmt die Leder-knute und hebt den Arm. Die Peitsche tanzt hinter den Rücken, ein eleganter Schwung aus dem Handgelenk - PÄNG! Ein Schlag wie ein Schuss. Und der klingt auch noch im linken Ohr, als Hebenstreit die schwarze Waffe schon wortlos zusammenrollt. Wie gesagt: Man darf die Peitsche nicht zwingen.

 

Artikel als PDF-Dokument

 

Christian Hebenstreit wurde von X Magic mit der Durchführung beauftragt.